Manuel Vogel
· 20.04.2021
Klaas Voget ist Teil des Entwicklungsteams bei Fanatic und Duotone und steckt in der Entwicklung von Wings so tief drin, wie kaum ein Anderer. Im Interview erklärt Klaas, an welchen Stellschrauben Wing-Designer drehen können, wo die Schwierigkeiten liegen und warum viele Marken erst am Anfang stehen.
Klaas, du warst von Beginn an involviert in die Entwicklung der Wings bei Duotone. Welche Stellschrauben haben die Designer, um die gewünschten Fahreigenschaften zu erreichen?
Sehr viele (lacht)! Lass uns mit der Outline eines Wings, also der äußeren Form, anfangen. Größere Spannweiten sind theoretisch gesehen erstmal effizienter. Aus diesem Grund haben z.B. Segelflugzeuge schmale Flügel mit viel Spannweite, Hightech-Segelboote haben lange Masten mit schmal geschnittenen Segeln. Wenn es darum gehen würde, nur die Fahrleistungen wie Speed und den generellen ”Glide” zu optimieren, wären also schlanke Wings mit viel Spannweite ideal. Aber Wingen ist nun mal ein verspielter Sport und natürlich wird die sinnvolle Spannweite durch die Höhe von Schultern und Armen begrenzt. Aus diesem Grund versuchen wir, Wings mit reduzierter Spannweite zu entwickeln, die trotzdem leistungsstark sind. Das kann man beispielsweise über den Profilverlauf, die Spannung im Canopy oder unterschiedliche Stärken der Front Tube erreichen.
Die Flügelspitzen bei Wings sind in der Regel nach oben gebogen, der Wing hat also eine leicht “V-förmige” Front Tube. Welchen Einfluss hat dieses Design-Merkmal?
Der Winkel der Tube beeinflusst Flugstabilität und Neutralität beim Driften, also wenn der Wing hinterher fliegt. Aber wie so oft lassen sich die Fahreigenschaften nicht nur an ein einem einzigen Design-Merkmal festmachen. Weitere Stellschrauben sind beispielsweise der Twist der Flügelspitzen und, wie eben schon erwähnt, die generelle Spannung des Wing-Materials (”Canopy”, die Red.). Die ersten Wings waren allesamt ziemlich flatterig, mittlerweile bekommen die Wing-Designer die Spannung im Canopy jedoch immer besser in den Griff und damit verbessert sich auch die Leistung. Man hat dann direkteren Vortrieb und mehr Power. Zusätzlich spürt man weniger Verzögerungen bei den Manövern, der Wing ist einfach nicht so schwammig.
Aktuell sind die Unterschiede zwischen den Wings verschiedener Marken noch gewaltig im Bezug auf Materialien oder das Griffsystem. Wo geht die Reise hin?
Es ist alles ein riesiger Lernprozess, bei dem viele Marken erst am Anfang stehen. Aktuell wird natürlich alle Energie in die Entwicklung von Allroundwings gesteckt, also Wings, die erstmal für die breite Masse funktionieren sollen. Deshalb haben wir z.B. unsere neuesten Wings mit Boom und Mittelstrut konstruiert, vor allem für Einsteiger hat das gewaltige Vorteile. Der Wing schwimmt im Wasser immer obenauf und taucht nicht ab, was das Starten erleichtert, gleichzeitig hat der Wing die freie Griffoption durch den Boom, was vor allem bei Manövern viele Vorteile bietet. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass es Wings für bestimmte Einsatzbereiche geben wird. Allroundwings für die Masse, neutrale und agile Freestylewings und solche, die auf der Welle extrem stabil hinterher fliegen. Und vermutlich werden dann irgendwann auch die Racer auf den Plan kommen und mit eher gestreckten Wingformen und langen Foilmasten um die Wette heizen.
Ich befürchte es wird der Tag kommen, an dem ein Wassersportler übergemäht wird, weil der Andere kein Fenster im Wing hatte.
Inwiefern kann man über die verwendeten Materialien Einfluss auf das Fahrverhalten nehmen?
Vor allem das verwendete Material im Bereich der Front Tube entscheidet maßgeblich darüber, wie sich ein Wing anfühlt. Steifes und dickes Material kann dazu beitragen, dass sich der Wing straff und sehr direkt anfühlt. Das geht natürlich Hand in Hand mit dem Pumpdruck und vor allem der Dicke der Front Tube. Mit weniger Druck wird ein Wing weicher und kann besser angepumpt werden. Straff aufgepumpt hält er das Profil bei mehr Wind etwas länger. Aber letztlich kann eine dicke Tube mit nur 6psi Fülldruck mehr Steifigkeit und Power vermitteln als eine dünnere Tube mit dem gleichen Druck, daher pumpen wir unsere kleinen Wings mit dünneren Front Tubes auch auf härter auf.
Auch bei der Ausstattung gibt’s aktuell noch große Unterschiede. Viele Marken setzen auf Fenster, andere nicht. Wie ist eure Philosophie diesbezüglich?
In meinen Augen ist ein Fenster ein essentielles Feature, vor allem für Einsteiger, die noch stark mit sich selbst beschäftigt sind und zum Schauen noch nicht die Ruhe haben. Auch wenn man oft gar nicht bewusst durchs Fenster schaut, nimmt man doch unterbewusst viel mehr wahr und läuft nicht Gefahr, einen im Wasser liegenden Surfer zu übersehen. Ich befürchte, es wird der Tag kommen, an dem ein Wassersportler übergemäht wird, weil der Andere kein Fenster im Wing hatte.
Warum sträuben sich manche Marken so gegen Fenster? Sind die Nachteile wirklich so gravierend?
Das gummimäßige PVC-Fenster ist ungleich schwerer als das Canopy-Material, das kann je nach Größe einige hundert Gramm ausmachen. Außerdem ist man bezüglich des Packmaßes etwas eingeschränkt, weil man über die Fenster nicht falten sollte. Derzeit sehe ich trotzdem kein anderes Material, welches sinnvollerweise für die Fenster in Wings eingesetzt werden könnte. Ich denke, dass man den kleinen Nachteil beim Gewicht in Kauf nehmen kann für ein großes Plus bei der Sicherheit und dem Fahrkomfort.
Danke Klaas für das Interview!