Mario Rodwald – der Gründer von Kold Shapes im Interview

Manuel Vogel

 · 13.09.2021

Mario Rodwald – der Gründer von Kold Shapes im Interview

Mario Rodwald hat Kite-Titel gesammelt wie andere Briefmarken, ist mit seinem Label “Kold Shapes” aber längst auch im Wingsurfen aktiv. Ein Interview über den Reiz schlechter Wellen, Müll-Surfen in Indonesien und den Weg zu nachhaltigeren Boards.

Foto: Henning Nockel

Mario, du hast zahlreiche DM- und Europameistertitel im Kiten gewonnen. Wie kam es, dass du deine Kofortzone verlassen hast, um mit dem Wingsurfen nochmal etwas völlig Neues auszuprobieren?

Ich bin sehr gut mit Henning Nockel befreundet, er und Klaas (Voget, die Red.) waren ja die Pioniere hier an der Kieler Förde. Ich fand, dass es nach Spaß aussah und hab mir im Sommer 2019 mal Hennings Material geschnappt und es einfach ausprobiert. Die erste Session war allerdings ziemlich mäßig. Das Board hatte nur 50 Liter und ich bin eigentlich die ganze Zeit nur herumgetrieben. Bei meiner zweiten Session bin ich dann irgendwie mal ins Fahren gekommen, das hat mich sofort angefixt. Mir wurde ziemlich schnell klar, welche Vorzüge das Wingsurfen haben konnte.

Was hat dich am Wingen so fasziniert?

Vor allem, dass man schon in kleinen Dünungswellen wieder richtig viel Spaß haben konnte. Das machte die Ostseespots vor meiner Haustür plötzlich aufs Neue interessant. Springen und Freestyle haben zwar ebenfalls ihren Reiz, aber Fliegen kann ich natürlich mach wie vor mit dem Kite besser, ebenso in steilen Wellen einen radikalen, aggressiven Turn fahren. Aber schlappe Wellen in viel Spaß verwandeln, das geht mit Wingsurfmaterial einfach am besten.

Du warst lange Jahre in die Entwicklung von Kitematerial involviert und hast dann mit “Kold Shapes” deine eigene Marke gegründet. Was war damals der Grund für dich, etwas Eigenes zu machen?

Ich war viele Jahre bei Carved, Duotone und Gaastra in die Materialentwicklung involviert. Das war gut, um Erfahrung zu sammeln. Die Idee etwas Eigenes und vor allem etwas Anderes zu machen, kam, nachdem wir 2017 eine Doku über die Umweltverschmutzung gemacht hatten. Da war für mich klar: Das muss irgendwie auch anders gehen!

“Watt mutt datt mutt” – einen guten Wintersurf am Homespot lässt Mario sich nicht entgehenFoto: Henning Nockel
“Watt mutt datt mutt” – einen guten Wintersurf am Homespot lässt Mario sich nicht entgehen

Du sprichst von der Doku “Plastik in jeder Welle”, die du mit dem NDR gedreht hast?!

Genau. Die Idee dafür entstand während eines Trips nach Island. Alles war so perfekt dort – wir filmten in toller Kulisse, in kristallklarem Wasser und an sauberen Stränden. Von meinen vielen Contest-Reisen, wusste ich aber, dass die Realität leider vielerorts anders aussah. Also haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und sind mit einem Team des NDR aufgebrochen nach Indonesien, um die Realität aufzuzeigen. Das Ausmaß der Verschmutzung war teilweise ziemlich schockierend. Aber die Doku war ein großer Erfolg und lief seitdem auf vielen öffentlich-rechtlichen Sendern. Auch in zahlreichen Schulen wurde und wird sie gezeigt. Das ist gut, denn das Problem muss in die Köpfe der Leute.

Es muss nicht immer alles wachsen, wachsen, wachsen. Was, wenn der Hype mal endet?

Welchen Einfluss hatte diese Erfahrung auf deine Marke Kold Shapes?

Mit war klar: Als Profikiter ist man meist nicht in der Position, sich als Umweltengel zu positionieren! Wenn ich früher meinen Stuff geliefert bekam, platzte die Gelbe Tonne aus allen Nähten, wegen der ganzen Plastikverpackungen. Und auch die vielen Reisen waren sicher alles andere als umweltfreundlich. Mein Plan: Wenn ich ein eigenes Label gründe, dann will ich weg von asiatischer Produktion, weg von Plastikverpackungen und einfach versuchen, es so nachhaltig wie möglich zu machen. Kold Shapes soll genau das sein.

Was machst du konkret, um die Ökobilanz deiner Produkte zu verbessern?

Die Boards werden in Europa produziert, die Arbeiter verdienen einen ordentlichen Lohn, die Transportwege sind entsprechend kürzer. Bei den Kiteboards verwenden wir z.B. Bioharze und Materialien wie Flachs und Holz, bei den Flügeln der Foils recyceltes Carbon. Im Zusammenhang mit Wingboards lässt sich das aufgrund der Größe noch nicht 1:1 umsetzen, aber wir versuchen, es schrittweise zu verbessern und verpacken alles ohne Plastik. Generell ist unser Prinzip, die Boards so zu bauen, dass sie lange halten und man sie im Fall der Fälle problemlos reparieren kann. Wir verwenden aus diesem Grund z.B. einen speziellen Kern, der kein Wasser ziehen kann. Zu guter Letzt wird die CO2-Menge, die bei Transport und Herstellung eines jeden Kold-Produkts entsteht, wieder ausgeglichen – “Offsetting” genannt. Das bedeutet, dass vom Kaufpreis ein Teil in Projekte fließt, die zertifiziert Aufforstungen durchführen, wodurch das freigesetzte CO2 wieder gebunden wird.

Großer Spaß in kleinen Wellen für Mario Rodwald
Großer Spaß in kleinen Wellen für Mario Rodwald

Wo soll die Reise mit Kold Shapes noch hingehen? Aktuell herrscht ja in der Branche Goldgräberstimmung.

Eigentlich muss das alles nicht immer nur wachsen, wachsen, wachsen. Ich bin zufrieden mit der aktuellen Situation. Wir haben ein super Händlernetzwerk, das die Kunden sehr gut berät und uns viel Arbeit abnimmt, aber trotzdem kann ich mich noch um alles selber kümmern, Leute beraten, Produkte designen. Wenn man jetzt durchdreht und irgendwann ein paar Leute in Lohn und Brot stehen hat und dann, in zwei Jahren vielleicht, kühlt sich der Hype wieder ab, was dann?

Du hast mit dem Modell “Nørdland” ein Wingboard in Größen von 70 bis 110 Litern im Programm. Was ist die Philosophie hinter diesem Board?

Das Brett soll unkompliziert zu fahren sein, die Bodenkurve ist konsequent flach und damit auf einfaches Anfahren optimiert. Angeschrägte Kanten, sogenannte “Bevels”, sorgen dafür, dass man beim ungewollten Absetzen sofort wieder nach oben kommt und wir verbauen eine recht lange Box, damit das Board mit sämtlichen Foils auf dem Markt harmoniert. Insgesamt ist das Nørdland relativ kompakt, damit es beim Springen schön klein wirkt und auch in der Welle funktioniert, unterm Strich soll es aber für eine große Zielgruppe funktionieren, also auch zum Freeriden ab der zweiten Stunde auf dem Foil.

Danke Mario für das Interview!

Weitere Infos zum Kold Shapes findet ihr HIER. Auch die Produkte von Kold Shapes werden wir zeitnah ausprobieren, wir stellen euch diese dann wieder auf der Website und auf unserem YouTube-Kanal vor

Wer sich die Doku “Plastik in jeder Welle – Surfen in der Müllhalde Meer” nochmal ansehen möchte, findet diese hier: