Manuel Vogel
· 22.11.2022
So cool (im wahrsten Sinne des Wortes) Surfen im Winter auch erscheinen mag, so groß sind bei vielen auch die Zweifel, ob man sich damit auf lange Sicht nicht die Gesundheit ruiniert.
Wir haben bei Dr. Wolfgang Klauß, Anästhesist, Notarzt und selber leidenschaftlicher Surfer, nachgefragt, wie Surfen im Winter aus medizinischer Sicht wirklich zu bewerten ist.
Herr Doktor, wo liegt deine persönliche Schmerzgrenze beim Surfen im Winter?
Klauß: Meine persönliche Grenze habe ich so bei 3-4 Grad Lufttemperatur erreicht, darüber habe ich noch keinerlei Probleme.
Wie sind die gesundheitlichen Risiken bei solchen Temperaturen einzuschätzen?
Generell ist die Ausrüstung das entscheidende. Wer einen wintertauglichen Anzug, gute Schuhe, Handschuhe und vor allem eine Haube benutzt, kann im Prinzip fast das ganze Jahr surfen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt läuft man allerdings Gefahr, sich leicht Erfrierungen im Gesicht zuzuziehen. Ein befreundeter Rettungstaucher hat mir daher empfohlen, Fettcreme (Vaseline oder Linola) ins Gesicht zu schmieren. Dadurch wird der direkte Wasserkontakt der Haut im Gesicht vermieden und der Wärmeverlust minimiert. Natürlich beeinflussen auch Windstärke, Sonneneinstrahlung und das Revier den Wärmeverlust. Eine verbindliche Grenze lässt sich somit nicht ziehen.
Ein besonderes Problem sind stets die Hände. Wenn kalte Finger nach dem Surfen wieder warm werden, verursacht dies mitunter stechenden Schmerz. Was hat es damit auf sich?
Bei Kälte ziehen sich die Blutgefäße im betroffenen Körperteil zusammen, um die Wärmeabgabe zu reduzieren. Beim Warmwerden werden die Blutgefäße gedehnt, das macht die Schmerzen. An sich ist dies nicht problematisch, ein Zusammenhang mit dem erhöhten Auftreten von Gelenkbeschwerden oder Gicht ist nicht nachweisbar. Allerdings stellt dieser Schmerz einen wichtigen Warnhinweis für unseren Körper dar.
Inwiefern?
Das Hauptproblem beim Surfen im Winter ist, dass bei kalten Muskeln die Koordinations- und Reaktionsfähigkeit deutlich abnimmt. Dies bedeutet, dass die Befehle die vom Gehirn kommen, nicht mehr schnell genug umgesetzt werden können. Das kann zum Problem werden, wenn man beispielsweise einen gerissenen Tampen wieder durch die Klemme fädeln soll. Im Sommer kein Problem, im Winter manchmal eine koordinative Meisterleistung. Bei weiterer Auskühlung nimmt dann auch die Kraftleistung der Muskulatur ab. Der wichtigste Warnhinweis des Körpers sind Gefühlsstörungen und Taubheitsgefühle. Wer dies missachtet, riskiert Erfrierungen. Deshalb sollte man gewisse Sicherheitsregeln unbedingt beachten.
Das Hauptproblem beim Surfen im Winter ist, dass bei kalten Muskeln die Koordinations- und Reaktionsfähigkeit deutlich abnimmt.
Was sollte man im Winter sonst noch beachten?
Untersuchungen haben gezeigt, dass nach dem Konsum von Zigaretten die Gefäße in Fingerspitzen und Zehen deutlich schlechter durchblutet werden. Im Winter wirkt sich das natürlich zusätzlich nachteilig aus. Deshalb würde ich im Winter vor dem Surfen nicht rauchen, damit Finger und Zehen nicht so schnell auskühlen. Sobald man auf dem Wasser das Gefühl hat, dass Koordination und Kraft nachlassen, sollte man rechtzeitig vom Wasser gehen und nicht bis zur totalen Erschöpfung draußen bleiben.
Danke Wolfgang für das Gespräch!